CUI_BONO?
Eingeladener Wettbewerb, "Gedenkort für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen", Berlin, 2005
Alle Menschen sind in ihrer Verschiedenartigkeit gleich und darin äquivalent (gleichwertig). Das Recht des Anderen auf sein Anderssein anzuerkennen und wertzuschätzen, bedeutet auch, man selbst sein zu dürfen.

Willkür und Machtmissbrauch lassen Menschen immer und überall auf Grund jeder erdenklichen Eigenschaft oder Verhaltens zum Opfer von Ausgrenzung werden. Macht wechselt ihre Ausgrenzungskriterien wie das Licht seine Farben. Die Festlegung der Norm ist stets eine Frage des Einflusses, die Liste der Kennzeichen für Ausgrenzungsopfer um jede Farbnuance erweiterbar. Dass ausgerechnet ein positives Lebensgefühl wie Liebe und die damit verbundene Suche nach privatem Glück zur Straftat und damit zum Verhängnis werden, birgt eine besondere Tragik. Solange wir das "Andere" ausschließlich als Gefahr sehen, wird sich außer den Vorzeichen, die uns einmal im Licht der Täter, ein anderes Mal im Licht der Opfer erscheinen lassen, nichts ändern.

Dabei ist die Differenz Grundbedingung allen Lebens, die selbst einfachste biologische Vorgänge und Strategien durchdringt. Durch sie werden Identitätsbildung, Austausch und Kommunikation erst möglich. Gäbe es ein letztes unterschiedsloses Unteilbares, wäre jede Form von Austausch undenkbar. Die Differenz ist ein lebensstiftendes Prinzip, ihre Aufhebung bedeutet den Tod. Das macht Verschiedenartigkeit kostbar und schützenswert. Selbst das, was uns als gleich erscheint, hat das Verschiedene zur Grundlage: Weißes Licht beispielsweise ist eine optische Kakophonie. Weiße Gegenstände reflektieren, schwarze absorbieren Licht aller Wellenlängen. Farbige Dinge nehmen manche Wellenlängen auf und reflektieren andere. Glas gestattet allen Wellenlängen den Durchtritt. Scheinbar farbloses Licht offenbart erst beim Eintritt in ein Prisma (z.B. Glaskante) seinen wahren Charakter indem es sich in seine Spektralfarben aufspaltet. Die Eigenschaften der beiden Medien Licht und Glas sowie ihre vielfältigen Wechselwirkungen verbildlichen sinnbildhaft, wie Verschiedenartiges friedlich miteinander koexistieren und sich zu einem gemeinsamen Gleichen fügen kann, ohne Unterschiede zu leugnen oder Ambivalenzen aufheben zu wollen. Erst das Zusammenwirken sich unterscheidender Zustände oder Befindlichkeiten ermöglicht ein dynamisches Gleichgewicht, welches jedem statischen Prinzip durch die Vielfalt seiner Anpassungs- und Reaktionsmöglichkeiten überlegen ist.
Im Gedenken an die Ausgrenzung, Unterdrückung, Demütigung und Ermordung Homosexueller während der NS-Diktatur setzt CUI_BONO? ein aktives Zeichen für die Schönheit der Einzig- und Verschiedenartigkeit, gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung. Der Denkort möchte die jeder Form von Ausgrenzung zugrunde liegenden Prinzipien und Strukturen ans Licht bringen und kritisch hinterfragen. Mechanismen der Ausgrenzung lassen sich weder durch Gewalt noch durch einen erhobenen moralischen Zeigefinger, sondern allenfalls durch Empathie, Nachdenken und innere Überzeugung wirksam auflösen. CUI_BONO? will einen Diskussionsprozess anzetteln, der gleich der Beantwortung eines Koans (paradoxes Rätsel) zu keinem Ende kommen kann ...
[START]___[HINTERGRÜNDE]____[KONZEPT]___[ABBILDUNG | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 ] ___[CUIBONO.pdf]